Eisige Temperaturen, rutschige Bürgersteige und glatte Straßen schlechte Voraussetzungen, sollte man meinen, für eine Lyrikveranstaltung, die alljährlich zu Gunsten unseres Vereins im Cineworld stattfindet. Nicht so jedoch in Lünen. Hier lassen sich die Lyrikbegeisterten nicht vom Wetter vorschreiben, ob sie ihrer Leidenschaft für Lyrik an einem Samstagvormittag im Januar frönen wollen oder nicht. Und auch die Vorleserinnen und Vorleser ignorierten Jahreszeit, heisere Stimme und Schnupfen und brachten ihre Lieblingsgedichte einem begeisterten Publikum zu Gehör. Lediglich ein Leser, dem wir von hier aus gute Besserung wünschen, musste aus Krankheitsgründen leider absagen.
Auch dieses Mal war die Auswahl der Gedichte breit gefächert und spannte den Bogen von den Balladen Schillers bis in unsere Gegenwart. War es ein Zufall, dass einige Gedichte der modernen Klassik sehr politisch waren? Und dass sie so gar nicht angestaubt schienen? Zwei Stunden lauschte das Publikum aufmerksam den unterschiedlichen Gedichten und Ausführungen der Vorleserinnen und Vorleser, die ihre Auswahl begründeten und in einen literarischen und teilweise sehr persönlichen und dadurch überzeugenden Kontext stellten.
Einer der Höhepunkte der Lesung war sicherlich der Auftritt von Thomas Pufhan, der ‚Die Gedanken sind frei‘ in Gebärdensprache darstellte. Seine Schwiegermutter Barbara Pufhan dolmetschte. Ein weiteres Gebärdengedicht kam ganz ohne Dolmetschen aus und erweiterte unsere Vorstellung nicht nur von Sprache. Ulrike Kleber und Begleitung setzte mit einer großartigen Stimme und bekannten Songs einen weiteren Schwerpunkt.
Nach zwei Stunden übernahm Wolfgang Schene wie immer die Veranstaltung, brachte stimmgewaltig einige heitere Verse zu Gehör und lud zu der von ihm gestifteten herzhaften Linsensuppe ins Kinofoyer ein.
Allen Mitwirkenden sei an dieser Stelle in bunter Reihenfolge nochmals herzlich gedankt: Marius Jaroni und den Mitarbeitern vom Cineworld für die effektive Zusammenarbeit, Wolfgang Schene für die alljährliche großzügige Suppenspende, den Vorleserinnen und Vorlesern, Frau Kleber und ihrer Musikbegleitung, den Mitgliedern von Dach über dem Kopf e.v., die freundlich und professionell eine gerechte Austeilung der Suppe ermöglichten, Johannes Strauß, der unentgeltlich die expressiven Plakate entwarf, die man im Foyer käuflich erwerben konnte, sowie allen anderen, die diese Veranstaltung durch ihren Einsatz ermöglichten.
Wir danken aber auch unserem aufmerksamen und kenntnisreichen Publikum, das uns auch im nächsten Jahr hoffentlich die Treue halten wird!
Wer nochmals die Veranstaltung nachvollziehen möchte, hier ist die Liste der Vorleserinnen und Vorleser und ihrer Texte:
- Clemens Kreiss: Der Hahn und Gras (Georg Britting)
- Dr. Barbara Seibert: Das Nachtlager (Bert Brecht)
- Gerd Püschel: Fragen eines lesenden Arbeiters (Bert Brecht), Lohntag (Heinrich Kämpchen)
- Maria Seifert: Dann, Die Regenwolken ziehen ab, Frage und Antwort den Enkeln, Poetik, Nachtmahl auf dem Acker (Reiner Kunze)
- Stephan Wilhelm: Zeitansage (Dorothee Sölle)
- Friedrun Lemm: Die Bürgschaft (Friedrich Schiller)
- Hans-Michael Haustein: Gartenspuk (Theodor Storm)
- Thomas Pufhan/ Barbara Pufhan: Die Gedanken sind frei und ein weiteres Gedicht in Gebärdensprache
- Dr. Christian Lüdke: Und auf einmal steht es neben dir (Joachim Ringelnatz)
- Brigitte Hoberg: Der Handschuh (Friedrich Schiller) und Wir drei (Elke Tappert)
- Fritz Angerstein: Ein Wort zur Pornographie (Wislawa Szymborska), Ach (Robert Gernhard)